Groß und Klein

Groß und Klein

Notate zum Ranking
Groß und Klein | © Bernd Leukert

Das Ranking, das vielleicht unseren Ehrgeiz weckt, bringt auch Unfrieden in das Gleichgewicht unseres Zusammenlebens: Es ermittelt die Besten, die Guten und alle die weniger Guten, die doch auf andere Weise besser als die Besten sein können. Es macht jeden von uns zu unfreiwilligen Teilnehmern eines permanenten Wettbewerbs, in dem fast alle zu Verlierern werden. Eldad Stobezkis Notate führen von Kleingeistern zum Großmeister.

Zum siebten Mal in Folge ist Finnland das Land mit der glücklichsten Bevölkerung der Welt. Israel besetzt den fünften Platz, Deutschland den vierundzwanzigsten. Nach welchen Kriterien werden solche Listen erstellt? Ich schenke diesen Listen kein Vertrauen und keine Achtung. Lieber bin ich ein Deutscher auf dem vierundzwanzigsten als ein Israeli auf dem fünften Platz. Etwas stimmt grundsätzlich nicht mit den Israelis, die ihr Land nicht in den Griff bekommen. Neuerdings tragen dort viele Menschen eine Kette mit einem Medaillon in Form der israelischen Landkarte, in der die Westbank schon annektiert ist.
Und gerade kommt die Nachricht von V-DEM (Varieties of Democracy): Ein unabhängiges, schwedisches Forschungsinstitut, das die Ausprägungen der Herrschaftsformen der Staaten weltweit untersucht, hat festgestellt, dass Israel von einer liberalen Demokratie auf eine elektorale Demokratie heruntergestuft ist. Das heißt, dass das Wahlrecht im Land gewahrt bleibt, nicht jedoch die Verpflichtung zu Gleichheit, Meinungsfreiheit, Minderheitenrechten oder Rechtsstaatlichkeit. Ursache: Die Verschlechterung der Indikatoren für Transparenz und Rechtsstaatlichkeit, sowie die Angriffe der Regierung auf das Justizsystem. Ob diese Herunterstufung zum Glück der Israelis beiträgt?

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Der Zug aus Köln war fast schon am Frankfurter Hauptbahnhof angekommen. Ich stand auf, auch der Mann, der hinter mir saß, stand auf. Er war so groß, dass ich mich nicht beherrschen konnte und ihn fragte, wie groß er sei. „1,94“, sagte er. Ich sagte: „Ich dachte, dass Sie mehr als 2 Meter groß sind. Ich bin 32 cm kleiner.“ „Gott sei Dank habe ich keine 2 Meter“, sagte er. „Sonst wäre ich nicht durch die Tür gekommen.“ Während ich über die Ungerechtigkeit der elterlichen DNA sinnierte, sagte er: „Ich wäre mit 10 cm weniger schon sehr glücklich, und Sie mit 10 cm mehr wohl auch. Es ist nun aber so.“ Als wir aus dem Zug ausgestiegen waren sagte er auf Kölsch: „Et kütt wie et kütt.“

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Ich trinke Kaffee mit einer Nachbarin, die im Laufe der Jahre eine sehr gute Freundin geworden ist. Wir reden über alles und über nichts, aber vor allem über alles, und ich sage ihr, dass man seine Familie aussuchen kann, aber die Freunde nicht.

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Multi-Kulti. Mittagessen in einem koreanischen Restaurant. Ein Gast war neugierig und fragte die Dame hinter der Theke, wo sie herstammt. Sie antwortete: „Ich bin aus Thailand. Mit neun Jahren kam ich nach Deutschland.“ Dann wollte er wissen, woher der Kellner kam. Er sagte: „Ich bin aus Hanau. Meine Eltern stammen aus Vietnam.“

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Nach einer kurzen Besprechung mit meiner Hausärztin, wegen des etwas zu hohen Blutdrucks, verabschiedete ich mich von ihr und sagte: „Ich hoffe, dass ich Sie jetzt lange in Ruhe lassen kann.“ Sie antwortete: „Kommen Sie jederzeit. Machen Sie mich nicht arbeitslos.“

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Aus den 164 geplanten Chorälen für das Orgelbüchlein hat J. S. Bach nur 46 „Ausgeführte Choralvorspiele“ verfasst. Im Konzert hatte ich das Glück neben einem Freund zu sitzen, der die Partitur vor sich hatte. Klaus Eldert Müller, der Organist und Kantor der Frankfurter Katharinenkirche, spielte vorzüglich. Die Choräle schweben in den Baumwipfeln, während im Unterholz sehr viel passiert. Wie Gras im Wind bewegen sich die Klänge. Dichte motivische Struktur und kontrapunktisches Raffinement verzieren die Choräle mit einem proportionalen Gleichgewicht. Manual- und Pedalstimmen verbinden sich zu einer mustergültigen Orgelpartitur. Das sind die Worte des Bachforschers Christoph Wolff. Ich stimme ihm zu. Mehr Bach geht nicht.
 
 
 
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Eldad Stobezki
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Gebunden, ca. 150 Seiten
ISBN: 978-3-949671-15-9

Letzte Änderung: 30.03.2024  |  Erstellt am: 30.03.2024

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