Von kleinen und großen Niederlagen

Von kleinen und großen Niederlagen

Notate zu Symbolen
Chanukkia in Erfurt | © wikimedia commons

Der Tannenbaum wurde zur Sonnenwende von den sogenannten Heiden wegen seiner grünen „Blätter“ als Hoffnungsträger betrachtet; erst die Protestanten haben ihn in die christliche Symbolik eingemeindet. Die Konifere Abies zum Friedensbotschafter zu befördern und damit gegen andere religiöse Symbole abzusetzen, ist noch trauriger als die unerfüllte Liebe zu den vier Oliven, die Eldad Stobezki beobachtet hat.

Ein Gedicht von Yehuda Amichai schildert genau den privaten und den nationalen Schmerz. Schmerzen, die nicht voneinander zu trennen sind:

In freier Übersetzung:

„Wo ist er verletzt?“
Du weißt nicht, ob die Körperstelle oder der Ort gemeint ist.
Eine Kugel geht manchmal durch den Körper
verletzt auch die Erde des Landes.

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„Die die Thora lernen, sind die Beschützer! Du bist der Beschützte, nicht der Beschützer.“ Mit dieser ungeheuerlichen Frechheit begrüßte der 93-jährige Rabbiner Dov Lando, eine Schlüsselfigur in der Welt der Thoraschulen, Erez Eshel, General der Reserve, als er in die Thoraschule kam, um die Schüler zu bitten, an den Beerdigungen der Gefallenen teilzunehmen. Die Teilnahme an einer Beerdigung ist ein hohes Gebot im Judentum, das nicht zu gelten scheint, wenn es Juden betrifft, die nicht orthodox sind und ihre Zeit mit der Verteidigung des Landes verplempern. Eine Schande, die mich wütend macht.

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Die jüdische Hochschulgruppe der Charité Berlin wollte erstmalig eine Chanukkia aufstellen. Das wurde mit dem Verweis auf das Neutralitätsgebot untersagt. In dem Antwort-Schreiben erklärte die Charité, einst deutsches Flaggschiff medizinischer und wissenschaftlicher Forschung unter der Führung renommierter jüdischer Professoren, dass sie die Bedeutung des Chanukka-Leuchters als Symbol des Chanukka-Festes im jüdischen Glauben verstehe und respektiere. Die Umsetzung könne allerdings nicht durchgeführt werden, da es für religiöse Symbole und Praktiken in den öffentlichen Räumen des Universitätsklinikums klare Grenzen gebe. In dem festlich geschmückten Weihnachtsbaum vor der Charité sehe die Leitung allerdings eine Ausnahme, wie sie in dem Schreiben erklärte. Als Symbol für die weihnachtliche Friedensbotschaft habe der Weihnachtsbaum über die Grenzen der Religionen hinweg eine lange Tradition“. Außerdem sei der Weihnachtsbaum in der Gesellschaft weit verbreitet.
Auch wenn ich das Aufstellen der Chanukka Leuchter auf zentralen Plätzen in Deutschland mit Unbehagen als eine missionarische Tätigkeit der chassidischen Chabad-Bewegung sehe, finde ich diese Ablehnung unsäglich. Sie ähnelt der Reaktion der Präsidentinnen von Harvard, PENN und MIT. Da hieß es, dass alles vom Kontext abhängt —. In diesem Fall empfinde ich die Reaktion der Charité als antisemitisch.
Wann sagt der deutsche Koordinierungsrat der 80 bundesweit verbreiteten Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit endlich etwas dazu? Sie setzen sich doch für die Verständigung zwischen Christen und Juden, den Kampf gegen Antisemitismus und Rechtsradikalismus sowie für ein friedliches Zusammenleben der Völker und Religionen ein.

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Ich sitze im Restaurant und beobachte ein älteres Ehepaar. Sie schweigen sich an. Seinen Teller kann ich nicht sehen. Vor ihr steht ein Salat mit Hühnerbruststreifen, am Rand des Tellers garniert mit 4 riesigen grünen Oliven. Mit der Gabel versucht sie eine Olive aufzuspießen. Die Olive ist hart und gibt nicht nach. Ihr Mann sieht zu und bietet keine Hilfe an. Sie gibt auf. Noch immer sprechen sie kein Wort miteinander. Als die Kellnerin abräumt, liegen auf einem der Teller noch vier verwaiste, pralle Oliven.

Letzte Änderung: 03.01.2024  |  Erstellt am: 03.01.2024

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